Deutscher Verband für Landschaftspflege

Blühflächen, Wiesen und Säume

Häufig werden Blühflächen und Blühstreifen als schöne, schnelle und einfache Lösung gegen das Insektensterben gepriesen. In der Landwirtschaft werden sie im Rahmen der EU-Förderprogramme vor allem in der 2. Säule gefördert. Die Effekte für die Biodiversität sind jedoch vielerorts gering und bezüglich des Erhalts der genetischen Vielfalt sogar eher schädlich, da häufig nicht-heimische Kultur- und Zierpflanzen oder Arten nicht-gebietseigener Herkunft verwendet werden.

Hier liefern wir wissenschaftlichen Fakten zum ökologischen Potenzial von Blühflächen und Samenmischungen und geben Empfehlungen, durch welche Maßnahmen und Verfahren Insekten wirklich geholfen werden kann.

Die Honigbienen sind vom „Bienensterben“ nicht betroffen

Vielfach wird in den Medien nicht vom Insektensterben, sondern vom „Bienensterben“ gesprochen, oft mit dem Hinweis, dass auch die Honigbiene bedroht sei. Auch für viele Blühmischungen wird mit dem Schutz von Bienen geworben („Bienenweide“). Dabei wird die „Biene“ oft mit der Honigbiene gleichgesetzt. Allerdings ist die Honigbiene nicht bedroht, sondern seit Jahren (wieder) zunehmend, signifikant korreliert mit dem Anstieg der Imkerzahlen. Auch ging es im bayerischen Volksbegehren entgegen der landläufigen Meinung nicht um die Honigbienen, sondern ausschließlich um die Wildbienen.

Was sind eigentlich Blühflächen?

Als "Blühflächen" werden in der Landwirtschaft Ackerflächen bezeichnet, die mit mehr oder weniger artenreichen Mischungen von Blütenpflanzen temporär, meist für ein bis fünf Jahre, eingesät werden. Danach werden sie wieder umgepflügt. Diese Blühflächen sollen unter anderem die biologische Vielfalt erhöhen und als Nahrungsquelle für Bienen und andere Blütenbesucher dienen. Für diese Maßnahme gibt es im landwirtschaftlichen Fördersystem in Bayern eine Förderung durch das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP). Außerdem können Blühflächen als ökologische Vorrangflächen im Rahmen des Greening anerkannt werden.

Solche Blühstreifen und Blühflächen locken Honigbienen und andere Insekten an und können die Menge und im Einzelfall auch die Artenzahlen der Insekten erhöhen. Zudem bieten sie „Blütennahrung“ für zahlreiche Insekten der Umgebung. Landwirtschaftliche Blühflächen bieten aber in der Regel spezialisierten und selteneren Arten keinen Lebensraum, weil diese Spezialisten keine passenden Futterpflanzen finden. Sie helfen daher in erster Linie der Honigbiene und wenigen häufigen Hummel-, Wildbienen- und Schwebfliegen-Arten. Trotzdem können Blühflächen vor allem in ausgeräumten großflächig intensiv genutzten Agrarlandschaften die wenigen Blühangebote ergänzen und so zumindest die Menge der Insekten erhöhen. Entscheidend für das Überleben der Tiere sind hier aber vor allem ausreichende Lebensraumstrukturen im Umfeld.

Einheimische Pflanzen verwenden!

Nur heimische Pflanzenarten sind in der Lage die Artenvielfalt zu erhalten, da nur sie von den speziell angepassten Insektenarten genutzt werden können. Zahlreiche Schmetterlinge und ein Großteil der heimischen Wildbienen sind allein auf eine einzige Pflanzenfamilie, eine einzige Gattung oder sogar an eine einzige Art als Futterpflanzen angepasst (oligolektische Bienen). Daher sollte überall in Blühmischungen, das heißt auch innerörtlich, nach Möglichkeit auf fremdländische Arten verzichtet werden. Fremdländische Arten tragen zudem eine schwer abschätzbare Gefahr in sich, sich als potentiell invasive Neophyten zu etablieren.

Besser: Nur gebietseigene Pflanzen verwenden!

Rechtliche Grundlagen

Um Florenverfälschung einzudämmen, regelt § 40 Abs. 1 BNatSchG, dass seit März 2020 in der freien Natur – von Ausnahmen abgesehen – nur gebietseigenes Saat- und Pflanzgut ausgebracht werden darf. Diese Vorgabe zielt darauf ab sicherzustellen, dass regionale Genpools für die Biodiversität, die Grünfutterproduktion, die Ernährungssicherung, die Klimaanpassung und entsprechend internationaler Verpflichtungen erhalten bleiben. Zu den Ausnahmen zählt der Anbau von Pflanzen in der Land- und Forstwirtschaft. Das Bundeslandwirtschaftsministerium vertritt die Auffassung, dass Blühflächen und Blühstreifen als landwirtschaftlicher Anbau gelten. Das Bundesumweltministerium sowie die meisten Länderministerien haben sich dieser Ansicht angeschlossen.

Unglücklicherweise enthalten die mehrjährigen AUKM-Mischungen in Bayern etwa 40 Arten heimischer Pflanzen, die nicht gebietseigen nach der Definition der Erhaltungsmischungsverordnung sind (also aus einem der dort definierten Ursprungsgebiete stammt). Die verwendeten heimischen Arten stammen aus allen in Bayern vorkommenden Ursprungsgebieten. Da diese Mischungen auf mehreren tausend Hektar in Bayern (und auf vielen weiteren tausend in anderen Bundesländern, die ähnliche Mischungen verwenden) mit einer Förderung von 600 € pro ha und Jahr, angebaut werden, wird die Florenverfälschung, die der § 40 BNatSchG eigentlich eindämmen wollte, nicht nur nicht verhindert, sondern zudem mit öffentlichen Geldern aus EU, Bund und Freistaat hoch gefördert.

Gründe für gebietseigene Herkunft

Innerhalb der heimischen Pflanzen finden sich oft deutliche genetische Unterschiede, weshalb zum Schutz der genetischen Vielfalt nur regionale, sogenannte gebietseigene Herkünfte verwendet werden sollten. Die Ansaat von Saatmischungen mit nicht-gebietseigenem Saatgut erhebliche Konsequenzen für die bereits existierenden Pflanzenbestände haben. Regionale Sippen können durch die Einkreuzung von nicht-gebietseigenem Material verloren gehen. Gene können so verändert werden, dass die aus der Kreuzung hervorgehenden Individuen nicht mehr optimal an die jeweiligen Umweltbedingungen angepasst sind, was zum Beispiel in einer geringeren Keimfähigkeit der Samen zum Ausdruck kommen kann und so das Überleben gerade von kleinen Populationen gefährden kann.

Von besonderer Bedeutung ist auch die Phänologie, also die zeitliche Entwicklung der Pflanzenindividuen bzw. Populationen. Je nach Region und Umweltbedingungen blühen und fruchten Pflanzen zu unterschiedlichen Zeiten. Durch die Einkreuzung von Individuen aus anderen Regionen kann sich die Reproduktion der Pflanzen so ändern, dass sie nicht mehr zur Phänologie der Bestäuber passt, was weitreichende Folgen für das gesamte Ökosystem haben kann. Es leuchtet schnell ein, dass Pflanzen aus den Wärmeinseln in Unterfranken im kühlen Voralpenland aufgrund ihrer Genetik unter Umständen zwei Wochen früher blühen, während ihre Bestäuber dort noch gar nicht geschlüpft sind.

Daher ist gebietseigenes oder gar autochthones (aus der unmittelbaren Umgebung) Material grundsätzlich das Mittel der Wahl für den wirkungsvollen Einsatz im Naturschutz.

Leider existieren derzeit (noch) keine Saatmischungen für landwirtschaftliche Blühflächen mit überwiegend gebietseigenen Herkünften. Auch für die dauerhafte Anlage von Wiesen und Säumen ist zertifiziertes sogenanntes Regiosaatgut derzeit noch in vielen Regionen nicht oder nur sehr eingeschränkt verfügbar. Hier gilt es für die Zukunft für die Politik nicht nur, solche Mischungen zu fördern, sondern auch die Produktion in den Herkunftsregionen zu unterstützen.

Fakten zu herkömmlichen Blühmischungen

Einjährige Mischungen

Handelsübliche einjährige Mischungen aus Bau- und Supermärkten sind meist für die Vielfalt der heimischen Insekten von sehr geringem Wert, da sie meist überwiegend Zierpflanzen und fremdländische Arten enthalten, z. B. die besonders bunte Mischung „Mössinger Sommer®“ oder das „Visselhöveder Insektenparadies“. Einjährige Mischungen der Agrarumweltmaßnahmen enthalten meist ausschließlich Kulturpflanzen.

Sie locken vorwiegend Honigbienen sowie wenige häufige Hummel-, Wildbienen- und Schwebfliegen-Generalisten an. Als Lebensraum für heimische Wildinsekten spielen die einjährigen Blühflächen kaum eine Rolle, da nur wenige Arten hier Nektarpflanzen finden und eine Larvalentwicklung, Verpuppung oder Überwinterung für sie meist ausgeschlossen sind. Positive Aspekte beschränken sich hier vielfach auf Ästhetik, einen Bewusstseinswandel gegenüber bislang versiegelten Flächen oder Vielschnittrasen, oder einen deutlich reduzierten Dünger- und Pestizideinsatz. Insgesamt steht hier einem hohen Aufwand nur ein minimaler Vorteil für die heimische Insektenwelt gegenüber. Einjährige Mischungen sollten daher nicht verwendet werden oder ausschließlich im Hausgarten ausgesät werden.

 

Mehrjährige Mischungen

Mehrjährige Mischungen bringen einen deutlich höheren Nutzen für die Natur. Allerdings sind viele der weit verbreiteten mehrjährigen Mischungen aus Sicht des Insektenschutzes ebenso wie aus Sicht einer möglichen Florenverfälschung kritisch zu betrachten. So enthalten die mehrjährigen Mischungen der Agrarumweltmaßnahmen in der Regel eine fachlich gute Auswahl überwiegend heimischer Arten. Allerdings werden nur Mischungen für ganz Bayern angeboten und die Kriterien für gebietseigenes Saatgut werden nicht berücksichtigt.

Die Mischungen enthalten zwar mehr Arten von heimischen Wildpflanzen, aber mengenmäßig überwiegen meist die Samen von Kultur- und Zierpflanzen wie Flachs, Büschelschön, Buchweizen, Sonnenblume oder Mariendistel, dazu meist „Küchenkräuter“ wie Dill, Borretsch, Koriander und Fenchel. Diese Kulturarten locken zwar relativ viele bestäubende Insekten an, doch haben Untersuchungen ergeben, dass sowohl die Insekten-Artenzahl als auch die Zahl naturschutzfachlich relevanter Arten, die solche Blühmischungen besuchen, gering bleiben. Bei Flächen mit gebietseigenem Saatgut sind Insektenmenge und -artenzahl deutlich höher. Immerhin bieten die Flächen Überwinterungsmöglichkeiten und Deckung für Insekten und Wildtiere wie Rehe, Hasen, Igel oder Rebhühner und können daher vor allem auf Gunststandorten eine Bereicherung zur intensiven Agrarlandschaft darstellen.

Empfehlungen für die Praxis

Dauerhafte Flächen: Wiesen und Säume

  • Ökologischen Sachverstand hinzuziehen, um das Potenzial der Flächen einzuschätzen, die Standorte auszuwählen, geeignete Saatmischungen und Pflegekonzepte festzulegen.
  • Optimieren vor Neuanlage: prüfen, ob durch Extensivieren oder Optimieren von bestehendem Grünland/Brachen durch veränderte Bewirtschaftung nicht mehr für einen nachhaltigen Artenschutz getan werden kann.
  • Übertragung vor Saatgut: prüfen, ob eine Samen-Übertragung von nahegelegenen Spenderflächen möglich ist; Ansprechpartner sind Landschaftspflegeverbände und Naturschutzbehörden.
  • Auf Magerstandorten und Ruderalflächen Selbstbegrünung testen – (gekaufte) Samenmischungen nur auf mittleren und produktiven Standorten einsetzen.
  • Bodenvorbereitung: Böden nicht mit Humusdecke anreichern, nicht oder nur mäßig düngen.
  • Nur zertifiziertes, gebietseigenes Saatgut verwenden – möglichst auch innerörtlich. Bei Wiesen-Ansaaten können einjährige heimische Arten wie Kornblume, Klatschmohn oder Roggentrespe als „Ammenpflanzen“ zur Bodenbefestigung oder für einen schnellen Blüheffekt beigemischt werden.
  • Da aufgrund der großen Nachfrage absehbar nicht ausreichend gebietsheimisches Saatgut zur Verfügung stehen wird, ist zu empfehlen flexibel auf mangelnde Arten-Verfügbarkeiten zu reagieren. Auf einzelne, nicht lieferbare Arten wird verzichtet, Alternativarten werden ergänzt und notfalls durch eine begrenzte Menge kurzlebiger „Platzhalter“ (Kulturarten) aufgestockt. Aus fachlicher Sicht ist der Einsatz von Kulturpflanzen weniger kritisch als gebietsfremde Herkünfte heimischer Arten. Eine Beimischung von Regelsaatgut sollte daher unterbleiben.
  • Maßnahmen erklären, fachlich fundiert und leicht verständlich, um die Akzeptanz zu fördern.

Temporäre Blühflächen

  • Auf mageren Äckern unbedingt extensive Acker(rand)bewirtschaftung angesäten Blühstreifen vorziehen. Im Gegensatz zu Blühstreifen bieten heimische Ackerwildkräuter vielen Spezialisten Nahrung.
  • Keine einjährigen Blühmischungen verwenden.
  • Ungeeignete Standorte meiden: keine schmalen Streifen direkt neben mit Insektiziden behandelten Flächen oder stark befahrenen Straßen.
  • Keine gewachsenen Säume umbrechen, um Blühstreifen einzusäen. Gewachsene Säume haben deutlich mehr Potential als Insektenlebensraum.
  • Zusatzlebensräume ergänzen: Offenbodenstellen, Bienenhügel, Trockenmauern, Totholzhaufen und ähnliches anlegen oder Überwinterungsstreifen belassen.
  • Maßnahmen erklären, fachlich fundiert und leicht verständlich, um die Akzeptanz zu fördern.

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